Trauerrituale gestern und heute | Früher war alles besser, oder?
Trauerrituale gestern und heute: Früher war alles besser, oder?
Eine junge Ärztin erzählt
Die junge Ärztin stammte aus einer ländlichen Gegend in Deutschland. Sie erzählte mir davon, dass es in ihrer Kindheit noch den Brauch der häuslichen Totenaufbahrung gegeben hatte. Sie berichtete, dass sie als Kind auf ihre verstorbene Oma geklettert war, um sich besser von ihr mit einer Umarmung verabschieden zu können. Für die Ärztin war der Tod etwas, das sie von klein auf kannte und das zum Leben dazu gehörte. Diesem Trauerritual begegnet man heute kaum noch. Heutzutage, meinte sie, werde im Krankenhaus oder Altersheim unter Ausschluss der Öffentlichkeit gestorben. Mit der Konsequenz, dass der Tod für uns etwas Unheimliches und Unbegreifliches ist.
Totenaufbahrungen kenne ich selbst nur aus dem Fernsehen, was daran liegen mag, dass ich in einer Stadt und nicht am Land aufgewachsen bin. Die Vorstellung, dass meine Kinder auf aufgebahrten toten Verwandten herumklettern, fühlt sich auch etwas seltsam für mich an. Trotzdem muss ich sagen, dass ich den alten Trauerritualen von gestern viel abgewinnen kann. Sie geben Halt in schweren Zeiten und zwingen uns dazu, uns Zeit zu nehmen, um uns mit dem Unabänderbaren auseinander zu setzen.
Der Tod als Gemeinschaftserlebnis
Trauerrituale von gestern – so war es früher
Trauerrituale von gestern machen auch heute noch Sinn
- Es gibt vorgegebene Handlungen - jeder weiß, was zu tun ist.
- Man ist im Trauern nicht alleine und nimmt sich bewusst Zeit.
- Bei der Totenwaschung „begreift“ man den Tod im wahrsten Sinne des Wortes.
- Durch das Aufbahren wird sichtbar, dass nur mehr die sterbliche Hülle des Menschen da ist.
- Durch das Entzünden der Trauerkerze schafft man von Beginn an ein Ritual, das man dann später im Alltag zur Erinnerung fortführen kann.
Der Wandel der Begräbniskultur
Bestattungsrituale mal anders
Ein Teil der Trauerarbeit ist auch, dass bei der Trauerfeier von den Hinterbliebenen eine Trauerkerze entzündet wird. Das Licht der Ewigkeit soll für den geliebten Menschen in der Dunkelheit leuchten.
Individualität und persönlichen Bezug kann man auch bei der Auswahl des Blumenschmucks zeigen. Was spricht gegen ein Gesteck aus Sonnenblumen und Steinpilzen für die verstorbene Oma, deren große Leidenschaft ihr Sonnenblumenbeet und das Pilzesuchen war?
Die Rede auf der Trauerfeier soll von Herzen kommen. Wer könnte eine solche besser halten als jemand, der mit dem/der Verstorbenen eng verbunden war? In den, in unseren Breiten üblichen, straffen Zeremonien war bislang wenig Platz für persönliches Erinnern. Um wieviel berührender wird die Verabschiedung, wenn Lebenspartner, Freunde oder Weggefährten die Gelegenheit haben, die anwesenden Trauernden an den vergangenen Zeiten mit dem/der Verstorbenen teilhaben zu lassen. Mit Erzählungen, Texten, Bildern oder mit Musik, die gemeinsam verbunden hat.
Es gibt viele Möglichkeiten, die Trauerrituale von gestern ins heute zu holen. Wichtig ist dabei, in sich hineinzufühlen, was man gerade braucht, um mit der neuen Realität klarzukommen. Der Abschied wird dann zwar nicht leichter, aber es bleibt mehr Raum für das persönliche Gedenken. Und auch wenn es ein sehr trauriges Ereignis war, wird man doch später mit einem guten Gefühl an die stimmige Abschiedszeremonie zurück denken…